Gespräche durch die Fensterscheibe

CORONA-KRISE Wildeshauser Senioreneinrichtungen ermöglichen Stück für Stück Kontakt zur Familie

Quelle: Nordwest Zeitung, vom 16.05.2020, Autor: Imke Harms

WILDESHAUSEN – Da gewinnt der Ausdruck „Lange nicht gesehen“ eine neue Bedeutung. In der Tat: Acht Wochen waren Menschen, die in Senioreneinrichtungen leben, abgeschottet. Freunde und Familie durften nicht zu Besuch kommen. Grund waren die Vorkehrungen wegen des Coronavirus. In dem Beschluss, den Bundeskanzlerin Angela Merkel gemeinsam mit den Regierungschefs der Länder erarbeitet hat, steht: ,,Für vulnerable (Anmerkung der Redaktion: besonders anfällig) Gruppen und insbesondere für Pflegeheime, Senioren- und Behinderteneinrichtungen müssen nach den jeweiligen lokalen Gegebenheiten und in den jeweiligen Institutionen besondere Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass entsprechende Regularien nicht zu einer vollständigen sozialen Isolation der Betroffenen führen dürfen.“ Die Krise ist noch nicht überwunden, doch die Regeln wurden zum Teil – in Absprache mit dem Gesundheitsamt des Landkreises Oldenburg – gelockert. Was gilt jetzt in Wildeshauser Altenheimen? 

KREISALTENHEIM
Das Wildeshauser Kreisaltenheim an der Goldenstedter Straße gehört zur Gruppe des Bezirksverbandes Oldenburg (BVO). Pressesprecher Michael Löning teilt auf Nachfrage mit: „Nach dem Beschluss vom 15. April erarbeiten wir – in enger Abstimmung mit den Behörden und Fachleuten – individuell für jede unserer 17 Einrichtungen Besucherkonzepte. Einige Konzepte liegen den Gesundheitsämtern zur Prüfung bereits vor. Derzeit aber besteht nach wie vor ein Besuchsverbot.“ Momentan hielten die Bewohner noch per Telefon, Kurznachrichten oder auch Videochat Kontakt zu ihren Angehörigen. „Es geht allen sehr gut. Sie werden bestmöglich von unseren Mitarbeitenden versorgt“, fügt Löning hinzu. 

PFLEGEZENTRUM JOHANNEUM
Das Pflegezentrum Johanneum hat in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt des Landkreises Oldenburg ein umfassendes Schutzkonzept für Besuche von Angehörigen erarbeitet. Leiterin Anita Kenkel führt aus: „Unsere Bewohner können in einem ersten Schritt wieder von engen Verwandten im Alter von mindestens 16 Jahren und Betreuern besucht werden.“ Wichtig dafür sei jedoch die vorherige telefonische Anmeldung. Das Pflegezentrum hat alles bis ins Detail durchgeplant: „Wir haben unseren Veranstaltungspavillon zum zentralen Besuchspavillon mit zwei Besuchsplätzen den Hygieneverordnungen entsprechend umgestaltet: Ein durchsichtiges Virenrollo trennt die Besucher von den Bewohnern, zusätzlich gewährleisten Tische und Stühle den geforderten 1,5-Meter-Abstand“, erklärt Kenkel.

Jeder Besucher müsse einen Fragebogen zur Besuchsregelung ausfüllen und erhält eine Einweisung in die Hygieneregeln wie in die ordnungsgemäße Händedesinfektion und in das richtige Anlegen eines Mund-NasenSchutzes. „Unsere Bewohner können jeweils 30 Minuten pro Tag Besuch durch einen engen Verwandten oder einen Betreuer empfangen. Nach jedem Besuch werden innerhalb einer 15-minütigen Pause Tische und Stühle desinfiziert“, so Kenkel weiter.

Auch eine Anpassung des Wegeleitsystems sei Bestandteil des Konzeptes. So ist der zentrale Besuchspavillon nur über den Parkplatz an der Deekenstraße zu erreichen. Entsprechende Schilder und Bodenmarkierungen weisen den Weg. Die anderen Bereiche bleiben bis auf Weiteres Bewohnern und Personal vorbehalten, betreten dürfen Angehörige das Pflegeheim also weiterhin nicht. Bisher gab es keine Covid19-Erkrankung im Pflegezentrum. „Mit dem umfangreichen Schutzkonzept wollen wir auch weiterhin die höchst mögliche Sicherheit erzielen. Wir freuen uns aber für unsere Bewohner, dass ihnen nun wieder mehr Nähe zu ihren Angehörigen erlaubt ist“, sagt Kenkel zum Abschluss.

ALEXANDERSTIFT
Auch beim Alexanderstift ist das Hygienekonzept vom Gesundheitsamt bereits genehmigt. Einrichtungsleiter Sascha Lücke ist sehr froh, dass in dem Seniorenheim jetzt zumindest sogenannte „Fensterbesuche“ möglich werden. Dafür wurde ein Zelt im Innenhof aufgebaut, direkt angrenzend an den Saal des Gebäudes. „So müssen die Angehörigen die Einrichtung als solche gar nicht betreten. Über eine Gegensprechanlage können sie dann mit den Bewohnern sprechen“, erklärt Lücke das Konzept. Einen direkten Kontakt wird es weiterhin nicht geben. 84 Menschen leben in der Einrichtung, Lücke rechnet vor, wie viel Aufwand diese Besuche auch für die Pflegerinnen und Pfleger ist. „Selbst wenn nur einmal wöchentlich ein Angehöriger vorbeikommt, sind das zwölf Besuche pro Tag. 30 Minuten dürfen die Personen jeweils bleiben, dazwischen bleibt eine Pause, um alles wieder zu desinfizieren.“ Das bedeute einen großen logistischen und organisatorischen Aufwand. „Eine unserer Angestellten ist den gesamten Tag damit beschäftigt.“ Dennoch: „Es ist natürlich nicht dasselbe. Gemeinsam Kaffee trinken, sich in den Arm nehmen. Das fehlt“, weiß Lücke. Irgendwann wird es in seinen Augen eine Rückkehr zur Normalität geben müssen. „Aber derzeit bin ich einfach erleichtert, dass wir diese Art der Besuche immerhin wieder ermöglichen können und hier alles im grünen Bereich ist.“ Damit meint er, dass bislang keine Corona-Verdachtsfälle in der Einrichtung aufgetreten sind.